Smart Home

Welches Smart-Home-System ist das richtige für mich?

Welche Smarthome-Lösung kaufe ich? Diese Frage stellen sich Heimvernetzer am Anfang immer. Mit regelmäßigen Tests hilft selber machen bei der Auswahl. Darüber hinaus gibt es aber einige grundlegende Systemunterschiede. Der folgende Ratgeber erklärt, worauf es ankommt – und berücksichtigt auch gleich die Messe-Neuheiten der IFA. 

 

Smarthome: System-Frage
© Hersteller, Frank-Oliver Grün

Steuerzentrale.png

Ein Smarthome-System hat die Wohnung im Griff. Es steuert Heizkörperventile, Lampen und die Rollläden per App. Es spart Energie, lässt das Haus im Urlaub bewohnt aussehen und löst Alarm aus, wenn Unbefugte versuchen, sich Zutritt zu verschaffen. Do-it-Yourself-Lösungen arbeiten dabei fast immer mit Funk. Fünf typische Produkte hat selber machen in den vergangenen Monaten getestet (siehe Tabelle). Im Mittelpunkt steht bei allen eine Basisstation, die am Router angeschlossen wird. Sie kommuniziert drahtlos mit Sensoren und Reglern, den sogenannten Aktoren. Die funkenden Erweiterungsmodule kosten je nach Aufgabe und System zwischen 20 und 80 Euro. Viele Hersteller bieten vergünstigte Startpakete an, die neben der Basis auch einige Module enthalten – etwa Tür- und Fensterkontakt plus Heizkörperventil oder Bewegungsmelder und Alarmsirene. Wichtig: Die Entscheidung für ein Startpaket gibt gleichzeitig die Richtung für den späteren Ausbau vor. Denn alle weiteren Anschaffungen müssen zur Basis passen.

Der Funkstandard

Heizk%C3%B6rperregler.png

Für batteriebetriebene Geräte kommt eine Verbindung per WLAN nicht in Frage. Sie verbraucht so viel Strom, dass Tür- kontakte oder Bewegungsmelder schon nach kurzer Zeit leergelaufen wären. Außerdem ist die Reichweite von WLAN-Netzen recht begrenzt. Deshalb gibt es Funkprotokolle, die speziell für den Einsatz im Smarthome entwickelt wurden. Manche davon sind proprietär, also die Erfindung eines bestimmten Herstellers. Homematic und Innogy (früher RWE Smarthome) verwenden solche hauseigenen Funksysteme. Andere setzen auf Industriestandards wie Z-Wave oder Zigbee. Das vergrößert die Auswahl, weil sich Sensoren und Aktoren verschiedener Hersteller mixen lassen. Allerdings funktioniert das nicht immer perfekt – doch dazu später mehr. Einen Sonderweg geht die Telekom mit ihrer Qivicon Home Base. Die Funk- zentrale unterstützt mehrere Standards auf einmal. In der jüngsten Version (siehe Seite 32) sind das Homematic, Zigbee, Bluetooth Smart und DECT ULE. Damit steht theoretisch ein riesiges Angebot. Um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten, arbeitet die Telekom aber mit ausgewählten Partnern zusammen. Nur deren Produkte lassen sich an der Qivicon-Basis anmelden.

Die Montage

Systeme wie Magenta Smarthome, Devolo Home Control oder Homematic IP laufen unter der Bezeichnung "Plug and Play" – einfach "Anschließen und Spielen". Zwischenstecker und Funktaster zum Ankleben verlangen kein Basteltalent. Meist ist nicht einmal Werkzeug nötig: Die Heizkörperregler von Devolo etwa ziehen sich mit eigener Motorkraft am Ventil fest. Bei anderen genügt eine Zange, um den Gewindering zu fixieren. Auf viele Heizkörper passen die smarten Thermostatköpfe von Haus aus. Adapter für Danfoss-Ventile der Serien RA, RAV und RAVL legen die Hersteller bei. Wer exotischere Anschlussstücke braucht, findet sie im Fachhandel. Der Online-Versender ELV zum Beispiel bietet ein großes Sortiment an Adapterringen für Heizkörperventile an.

2_App.jpg

Smartphone App: Ein Programm für Android- oder Apple-Geräte dient als drahtlose Fernbedienung. Manche Systeme kommen gar nicht ohne aus, weil die App auch neue Geräte hinzufügt und einrichtet.

Bosch integriert Hausgeräte

Mit dem Funksystem Bosch Smart Home lassen sich künftig auch Hausgeräte bedienen. Auf der IFA hat das Unternehmen Geschirrspüler, Waschmaschinen und Trockner vorgestellt, die sich in die Haussteuerung integrieren. Die Verbindung wird dabei drahtlos per WLAN über den Vernetzungsstandard Home Connect hergestellt (siehe rechts). Ebenfalls neu: Ein "Szenario-Manager" in der App zum automatisierten Schalten von Heizung, Licht und Geräten – etwa beim Nachhausekommen oder Verlassen der Wohnung. Zum Jahresende oder Anfang 2017 sollen Rauch- und Bewegungsmeder für jeweils 80 Euro folgen.

Bosch%20neu.jpg

Home Connect heißt bei Bosch und Siemens die Lösung zum drahtlosen Fernbedienen von Hausgeräten. Sie funktioniert mit ihrer eigenen App – und künftig auch mit Bosch Smart Home Auch Sonderwünsche an die Heizungssteuerung können weitere Recherchen nötig machen. So hat Bosch noch kein Wandthermostat im Programm, das die Temperatur von einem zentralen Punkt im Raum aus steuert. Mit Fußbodenheizung kommen die Smarthome-Systeme von Innogy, der Telekom und demnächst auch Homematic IP klar. Eine direkte Kesselsteuerung gibt es von Bosch und Innogy inVerbindung mit bestimmten Buderus-Heizungen. Damit verlässt der Nutzer aber ohnehin das Plug-and-Play-Prinzip. Die Heizungsinstallation verlangt mehr Know-how als der Tausch eines Thermostatkopfs. Dasselbe gilt für Elektroarbeiten am 230-Volt-Netz. Sollen Unterputz-Aktoren die Geräte schalten und dimmen, ist der Fachmann gefragt.

3_Licht_Philips-Hue.jpg

Nachtsicht: Eine programmierte Lichtszene weist blendfrei den Weg zur Toilette – so wie hier mit LED- Streifen des drahtlosen Hue-Systems von Philips

Die Bedienung

Ohne Smartphone geht im Smarthome wenig. Auch wenn das System so konfiguriert wird, dass es auf Wandtaster und Bewegungsmelder reagiert, empfiehlt sich ein Android- oder iOS-Gerät für die Bedienung. Nur mit ihm hat der Nutzer direkten Zugriff auf alle Geräte und Szenarien. Bosch, die Telekom und EQ-3 setzen ihre eigene App sogar zwingend voraus. Ohne sie lässt sich die Anlage nicht vollständig einrichten. Devolo Home Control und Innogy Smarthome sind auch am PC programmierbar. Doch spätestens beim Fernzugriff übers Internet kommt das Telefon ins Spiel. Um die Wohnung von unterwegs aus vorzuheizen oder Alarmmeldungen am Handy zu empfangen, braucht das System einen Online-Zugang. Manche Funkzentralen nehmen das Internet aber auch zu Hause in Anspruch: Sie leiten Befehle der App über einen Cloud- Server. Fällt die Datenverbindung aus, reduziert sich der Funktionsumfang. Programmierte Regeln laufen dann zwar weiterhin ab, es können aber keine Änderungen mehr vorgenommen werden.

Qivicon.jpg

Dasselbe gilt für den Offline-Betrieb von Devolo und Innogy. Beide Funkzentralen lassen sich über einen Schalter am Gerät (Innogy) oder in der App (Devolo) vom Internet trennen. Sie arbeiten dann autark und behalten Daten über das Schalten und Walten, Kommen und Gehen für sich – mit den genannten Einschränkungen. So kann der Nutzer vom Büro aus nicht mehr nachschauen, ob das Bügeleisen ausgeschaltet ist. Magenta Smarthome verhält sich im sogenannten "Lokalen Modus" genauso. Bosch speichert laut eigener Aussage überhaupt keine Daten in der Cloud. Das Internet dient nur zur Fernbedienung. Ob die Basis auch komplexe Regeln ohne Hilfe eines Servers abarbeiten kann, lässt sich aktuell nicht sagen. Der dafür nötige Szenario-Manager war zum Zeitunkt des Tests noch nicht freigeschaltet.

RWE_Innogy.jpg
5_Zwischenstecker.jpg

Zwischenstecker: Funksteckdosen gehören zur Grundausstattung aller Smarthome-Systeme. Manche Modelle können auch dimmen und den Energieverbrauch messen 

App_Waschmaschine.png

Hausgeräte: Über eine Software-Erweiterung der Qivicon Home Base – ein sogenanntes Plug-in – lassen sich vernetzbare Waschmaschinen, Trockner und Küchengeräte von Miele steuern

Der Funktionsumfang

Wer Heizkörperventile regeln und mit Zwischensteckern Lampen schalten möchte, hat reiche Auswahl. So gut wie alle Smarthome-Lösungen kommen dafür in Frage. Auch als einfache Alarmanlage mit Sirene taugen viele Systeme.

Dass Bosch und EQ-3 (Homematic IP) ihr junges Sortiment schnell ausbauen werden, steht außer Frage. Beide Unternehmen haben sich als verlässliche Partner in der Haustechnik erwiesen. Devolo, Innogy (RWE) und die Telekom sind schon länger am Markt und können auf ein umfangreiches Sortiment an Sensoren und Aktoren verweisen. Das RWE-System integriert dabei auch Energietechnik wie Solaranlagen oder Batteriespeicher und kann mit Erweiterungsmodulen sogar den Stromzähler auslesen.

Für Heimvernetzer interessant: Welche Produkte anderer Marken lassen sich mit der Smarthome-Zentrale verbinden? Die breiteste Unterstützung erfährt hier das Lichtsystem Hue. Gleich vier der fünf getesteten Systeme können Funklampen von Philips steuern. Aber auch die Netatmo Wetterstation erfreut sich wachsender Beliebtheit (Innogy, Telekom). Devolo Home Control ist mit seinem Z-Wave-Standard prinzipiell offen für Geräte anderer Hersteller. Allerdings reicht die Verbindung alleine nicht aus, um alle Funktionen zu nutzen. Manche Z-Wave-Geräte bleiben unter ihren Möglichkeiten, weil die Home-Control-Software sie nur unvollständig unterstützt. Mit den hauseigenen Produkten von Devolo passiert das nicht.

Devolo-geht-unter.jpg

Die Betriebskosten

Die Telekom verlangt für ihr Magenta Smarthome eine monatliche Gebühr. Innogy hat die Einmalkosten für Philips Hue & Co. (siehe Heft 8/16) abgeschafft und lässt sich nur noch den Fernzugriff bezahlen – mit 15 Euro pro Jahr nach Ablauf der ersten 24 Monate. Bei den übrigen Anbietern fallen "nur” die Kosten für die Hardware an, der Betrieb ist kostenlos. Vom Strom und den Batterien für die Sensoren einmal abgesehen.

Hier finden Sie eine Übersicht aller bisher getesteten Smarthome-Systeme. Zum kostenlosen Download >

Die neue Ausgabe ist da: selber machen – Jetzt kaufen!
U1_05_04.png