Pappmöbel von Stange Design
Wer Pappmöbel aus Wellpappe für eine Geschmacksverirrung auf Apfelsinenkistenniveau hält, irrt: Sie sind eine beliebte Erstausstattung bei Studenten, Existenzgründern und Eltern mit Kindern. Für manch einen Wohnungsbesitzer werden die Übergangslösungen zum Kult. Ein Wegbereiter der Pappmoderne ist die Berliner Firma Stange Design.
Für Hans-Peter Stange ist der Ur-Hocker nach wie vor das beste Stück. Komplizierte Konstruktionen wie das Halb-Ei bezeichnet er als "Jungbrunnen". Seine Pappmöbel, Accessoires und Deko-Elemente kommen inzwischen verstärkt bei Veranstaltungen aller Art zum Einsatz.
Maks, der Sechseckhocker, ist das erste Möbelstück von Hans-Peter Stange. Es wurde in der Mitte der 80er Jahre entworfen. Maks ist 43 cm hoch und über die Spitzen gemessen 37 cm breit. Er besteht aus zwei gefalteten, ineinander gesteckten Pappplatten. "In den vergangenen 20 Jahren haben wir bestimmt 40 verschiedene Hockervarianten entwickelt, aber wir sind immer wieder zum Ur-Hocker zurückgekehrt", erzählt der Designer. Kein Wunder: "Maks" ist Stanges bestes Stück, gleichermaßen beliebt als Ersatz-Sitzgelegenheit, wenn Gäste kommen, und als Bestuhlung von Großveranstaltungen, bedruckt in Symbolfarben, mit Logos oder Tagungsprogrammen. "Die Teilnehmer oder Gäste müssen den Hocker selbst aufbauen", erläutert Stange. "Dabei entstehen immer witzige Situationen. Das lockert auf und fördert die Kommunikation."
Dem Ur-Hocker (5 Euro) folgte der zweite Verkaufsschlager auf dem Fuße: das podestförmige Bett "Dream" (69 Euro), 1989 vom Design Center Stuttgart ausgezeichnet und im gleichen Jahr patentiert. Der Bausatz umfasst fünf Stützbeine, über die U-Profile gesteckt werden. Die Gesamtbreite des Bettes – wahlweise 120, 135, 150, 165 oder 180 cm – richtet sich nach der Anzahl der verwendeten Stützbeine und kann jederzeit verändert werden. Die Freundin ist weg – kein Problem, das Bett wird verkleinert...
Inzwischen besteht das Sortiment der Pappmöbel aus unzähligen Tischen, Stühlen, Sideboards, Regaltürmen und sogar Wäsche- und Kleiderboxen. Die Möbel werden als Pappstapel verkauft. Dank der Bauanleitung lassen sie sich ohne Architekturstudium und auch ohne Werkzeug auf- und natürlich auch jederzeit wieder abbauen und im Keller stapeln, wenn sie nicht gebraucht werden. Und: Die Leichtgewichte werden je nach Größe von einer, höchstens zwei Personen mühelos geschultert. So wiegt der Bausatz für das Podestbett nur 22 kg. "Maks" bringt nicht einmal 1 kg auf die Waage. "Allerdings trägt er mehr als 1000 kg", betont Designerin Mechtild Kotzurek-Stange. "Genau das ist das Besondere an Pappmöbeln: Ihr geringes Eigengewicht bei gleichzeitig extrem hoher Belastbarkeit."
Geringes Gewicht, schneller Auf- und Abbau und hohe Belastbarkeit – das sind Vorzüge, die auch bei Firmenkunden gefragt sind: Dekorationen, Präsentationswände, Displays, Aktionsstände und Warenträger für Ausstellungen, Messen und Veranstaltungen aller Art sind neben den Möbeln zum zweiten Standbein von Stange Design geworden. Aufträge von Werbeagenturen, Dekorateuren und Messebauern machen inzwischen rund die Hälfte des Jahresumsatzes von rund 750 000 Euro aus. Dabei lassen sich die Produkte nicht strikt in Wohn- und Ausstellungsstücke trennen. So wurde zum Beispiel ein Halb-Ei – wahlweise 139 cm oder nur 40 cm hoch – mit zwölf Schüben und ebenso vielen Ablagen als originelles Display auf einer Ladentheke entwickelt. Heute findet es sich in manch einem Wohnzimmer als extravagante Kommode oder in vielen Büros als praktische Aufbewahrungshilfe für Schreibtischutensilien wieder.
Wie dem Halb-Ei erging es auch den Pappschafen Polly, Molly und Dolly: Sie wurden als Deko-Elemente für eine Kinderveranstaltung geschaffen und dienen heute als CD- oder Zeitschriftenständer oder auch Visitenkartendisplay. Tausende Pappobjekte hat Stange Design inzwischen entwickelt. "Das ist unser Jungbrunnen", betont der Designer. "Außerdem erwarten unsere Kunden Vielfalt und Kreativität. Und: Wir besetzen immer wieder neue Nischen im Markt."
Produktion von Pappmöbeln in Zeiten der Pappmoderne
Sobald ein Produkt wie zum Beispiel der Hocker "Maks" oder die Schafe "Polly", "Molly" und "Dolly" in Serie produziert wird, lohnt es sich für die Firma Stange Design, ein Stanzwerkzeug anfertigen zu lassen. Dann können 2000 Hocker am Tag produziert werden. Schwierige Formen oder Unikate werden am Computer entworfen und von der CAD-Fräse gefalzt und geschnitten.
Die Papp-Rohtafeln werden dann zunächst auf Größe geschnitten und wandern anschließend ins Stanzwerkzeug.
Pappmöbel: leicht und robust
Das eigentliche Geheimnis des Erfolges der Manufaktur ist der Werkstoff Wellpappe, 1871 von einem US-Amerikaner namens Albert L. Jones erfunden und inzwischen weltweit eines der meistverwendeten Verpackungsmaterialien. Eine S-förmig gewellte Schicht aus kurzfaserigem Altpapier ist auf der Ober- und Unterseite jeweils mit einer Bahn aus tragfähigem Kraftpapier mit möglichst langen Fasern verklebt. Die Wellen fangen Belastungen auf und verteilen sie gleichmäßig auf die Deckbahnen.
Je nachdem, ob kleine oder große Wellen geformt werden, entstehen dünne oder dicke Pappen. Eine besonders hohe Belastbarkeit errreichen die Pappmöbel, indem mehrere Lagen Wellpappe mit Wellen verschiedener Größen übereinander geklebt werden. Als Klebstoff dient Stärkeleim zum Beispiel aus Kartoffeln oder Mais. Hauptbestandteil der Wellpappe ist allerdings Luft.
Fazit: Wellpappe erlaubt ungewöhnliches Design, ist gleichzeitig praktisch und dazu noch vollständig recyclebar. Seit Anfang der 80er Jahre experimentiert Hans-Peter Stange mit diesem Material. Damals war er noch Student der Berliner Hochschule der Künste. "Wellpappe ist extrem leicht zu bearbeiten. Dafür braucht man nicht einmal viel oder ausgefallenes Werkzeug, nur Bleistift, Lineal, Cutter und Messer", betont Stange. Mit dieser Grundausstattung gründete er 1985 Stange Design. "Die Handarbeit war eine wichtige Schule. Dabei haben wir auch ein gutes Gefühl für das Material entwickelt", erzählt der Designer. Eine Alternative zur Handarbeit gab es allerdings auch nicht. Damals klang "Pappe" noch nach "pappig", "Öko" war so etwas wie ein Schimpfwort. "Als die Banken das Wort Pappmöbel hörten, lief gar nichts. Wir mussten ohne Kredite anfangen, genug verdienen, um uns damit dann auch Maschinen kaufen zu können."
Heute beschäftigt Stange Design sechs feste Mitarbeiter, und ohne Maschinen würde in der Fabrikhalle in der Tempelhofer Ringbahnstraße vieles nicht mehr laufen: Sobald mehr als zwanzig Stück von einem Produkt hergestellt werden sollen, lassen die Stanges ein entsprechendes Stanzwerkzeug fertigen. Für Unikate und besonders schwierige Formen wird eine der beiden CAD (= computer aided design)-Fräsen, auch Schneidplotter genannt, eingesetzt. Die meisten Produkte werden mit unbehandelten Oberflächen verkauft. Die Wellpappe kann jedoch durch verschiedene Substanzen resistent gegen Feuer, Wasser, Säuren und sogar Insekten gemacht oder mit wasserlöslichen Lacken bedruckt werden. Wellpappe, die bei der Produktion übrigbleibt, wird gepresst, kommt in großen Ballen zurück zum Hersteller, trifft dort ausgediente Stange-Möbel, wird recyclet und kann dann irgendwann vielleicht wieder zu einem neuen "Maks"-Hocker verarbeitet werden.
Schöne Schnitte für Pappmöbel
Die geschnittenen Kanten, an denen die Welle der Pappe sichtbar ist, werden zum Blickfang von Bücherstützen, Stuhllehnen oder Tischplatten. Wenn es um Pflegeleichtigkeit geht, werden sie allerdings nach innen geknickt. Die meisten Pappmöbel werden mit unbehandelter Oberfläche geliefert.
Schritt 1/9: Material ausbreiten
Wir wollten wissen, ob es wirklich so einfach ist, die Pappmöbel zusammenzubauen, wie die Anleitung verspricht. Unser Testobjekt ist das Bett: Zunächst einmal alle Einzelteile aus legen.
Schritt 2/9: Erste Stütze aufklappen
Vor dem Aufbau muss die Breite des Bettes festliegen (von 120 bis 180 cm variabel), da die Stützbeine entsprechend zusammengesteckt werden.
Schritt 3/9: Bettenstützen einstecken
Dazu werden die Außenteile der Stützbeine mit den Innenteilen verbunden. Zuerst alle vier Seiten des vorgefalteten Innenteils aufklappen.
Schritt 4/9: Lasche einklemmen
Zuerst alle vier Seiten des vorgefalteten Innenteils aufklappen. Dann nimmt man zwei Außenteile, klappt die beiden Seiten nach innen und steckt die ein gestanzten Nasen in die Schlitze der Innenteile.
Schritt 5/9: Stütze aufstellen
So sieht eine fertige Stütze aus.
Schritt 6/9: Aufgereihte Stützen
Die fertigen Stützen hintereinander aufstellen.
Schritt 7/9: Liegeflächenprofile einstecken
Jetzt die Liegeflächenprofile in die Stützelemente stecken.
Schritt 8/9: Pappplatten einsetzen
Damit’s leicht geht, werden die Profilkanten vorher umgebogen und gefaltet.
Schritt 9/9: Pappbett
Fazit: Kollege Charly Bohm hat gut eine halbe Stunde gebraucht und war von der unkomplizierten Stecktechnik sowie vom Probeliegen auf dem fertigen Bett total begeistert.
Fabrikladen:
Stange Design " Ringbahnstraße 16–20 " 12099 Berlin " Telefon (0 30) 75 20 26-0
Online-Shop: www.stange-design.de